Das Institut

Ihnestraße 22

Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A)

Im September 1927 gegründet, wurde das KWI-A zu einem der führenden Forschungsinstituten in den Bereichen der Anthropologie, menschlichen Erblehre, Eugenik und Rassenhygiene. Das Institut war damals in der Ihnestraße 22 angesiedelt, dort wo heute das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin sitzt. Das KWI-A war dabei eines von 59 Instituten und Forschungseinrichtungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, die von 1911 bis 1945 Forschung in unterschiedlichen Bereichen betrieben. Das KWI-A wurde von staatlichen Fördermitteln, Zuschüssen von Forschungseinrichtungen und privaten Investoren wie der Rockefeller-Stiftung finanziert. Hermann Muckermann, Eugeniker und ehemaliger Jesuit, spielte bei der Finanzierung des Instituts auch eine wesentliche Rolle, weil er für die Spendenakquise auf seine Kontakte innerhalb der Katholischen Kirche zurückgreifen konnte. Die Zielsetzung des Instituts war eng mit einer politischen Mission verbunden, da es den sozialen Wohlstand in Deutschland durch wissenschaftlich-angeleitete Bevölkerungspolitik verbessern sollte. Unterteilt in die Abteilungen Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenetik erarbeiteten alle Abteilungen des Instituts gemeinsamen Forschungsgrundlagen, die zu einer wissenschaftlichen Legimität des Konzepts ,,Rasse” beitrugen. Die Arbeit am Institut beinhaltete wissenschaftliche Forschung, Lehre und die Betreuung von Doktorand_innen, von denen viele aus dem Ausland an das Institut kamen. Jene Forschung wurde dazu genutzt, um Sterilisationsprogramme sowie Völkermord zu legitimieren. 

Zu Beginn des Jahres 1944 wurde die Arbeit am Institut aufgrund der Gebäudeschäden, infolge der Luftangriffe auf Berlin, zunehmend schwieriger, woraufhin das Institut außerhalb der Stadt verlegt wurde. Auf Anweisung des damaligen Institutsdirektors Otmar Freiherr von Verschuer wurden viele Akten zerstört, um sie vor „feindlichen Händen“ zu bewahren. Von Verschuer hatte gehofft, das Institut nach Ende des Krieges wieder eröffnen zu können. Als jedoch klar wurde, in welchem Umfang das Institut und dessen Mitglieder, allen voran von Verschuer, in die Verbrechen der Nationalsozialisten involviert waren, war eine Wiederöffnung ausgeschlossen. Trotzdem wurde das Institut niemals offiziell aufgelöst und die Mitarbeiter_innen konnten ihre Tätigkeiten an anderen Forschungseinrichtungen fortsetzen. Stattdessen wurde die Kaiser-Wilhelm Gesellschaft 1948 zur Max-Planck- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften umbenannt. 

Quellen:

  • Brocke, B. & Laitko, H. (1996). Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute: Studien zu ihrer Geschichte: Das Harnack-Prinzip. Berlin: De Gruyter.
  • Fischer, E. (1928). Das Kaiser-Wilhelms-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie, 27(1), 147-152.
  • Schmuhl, H.-W. (2008). Crossing Boundaries: The Kaiser Wilhelm Institute for Anthropology, Human Heredity, and Eugenics, 1927-1945. Berlin: Springer.

Die Schädelsammlung 

Das Sammeln von verschiedensten „anthropologischen Forschungsmaterialen“ – meistens menschlichen Knochenresten – aus Kolonialgebieten war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert weit verbreitet. In Deutschland wie auch anderswo nutzten zahlreiche Institute und Museen entsprechende Sammlungen zur anthropometrischen Forschung. Im Dachgeschoss des KWI-A Gebäudes in der Ihnestraße 22 lagerte beispielsweise eine Knochen- und Schädelsammlung, die zwischen 4.000 und 5.000 Einzelteile umfasste. Die Sammlung, die als „S-Sammlung“ bekannt ist, wurde vom Anthropologen Felix von Luschan, der am Berliner Museum für Völkerkunde arbeitete, am Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Daraufhin wurde die Sammlung an die Friedrich-Wilhelms-Universität (1949 in Humboldt-Universität zu Berlin umbenannt) übertragen und ab 1928 vom KWI-A weitergeführt. Dort wurde die Sammlung vom Anthropologen und Lehrer Hans Weinert organisiert und katalogisiert.

Die Sammlung beinhaltete menschliche Gebeine aus den ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und Süd-Ost-Asien, sowie aus zahlreichen anderen Regionen der Welt. Auch Gebeine von Opfern des Völkermordes aus dem Konzentrationslager Haifischinsel in Namibia wurden nach Berlin gesandt. Die S-Sammlung beinhaltete mindestens 30 namibische Schädel, die in Folge der kolonialen Gewaltherrschaft entwendet wurden. Auch Eugen Fischer schickte vor seiner Zeit als Direktor des KWI-A Gebeine der Khoikhoi, die er selber während seines Forschungsaufenthalts in Deutsch-Südwestafrika aus Gräbern entwendet hatte, an die Universität Freiburg. Dies wurde erst durch den Völkermord in Deutsch-Südwestafrika möglich, der die Bevölkerung der Khoikhoi dramatisch dezimiert hatte.

Viele Forscher_innen profitierten auf diesem Wege vom Kolonialismus, der ihnen direkten Zugang zu „Forschungsmaterial“ und Feldforschung in den Kolonien erlaubte. Obwohl einige Gebeine zurückgegeben wurden, dauert der Rückführungsprozess an und noch heute finden sich menschliche Gebeine in Berlin und in ganz Deutschland. Herero, Nama und andere Gruppen kämpfen seit vielen Jahren für eine Rückführung der Gebeine ihrer Vorfahren. 

Quellen:

  • Bergmann, A., Czarnowski, G. & Ehmann, A. (1989). Menschen als Objekte humangenitischer Forschung und Politik im 20. Jahrhundert. In Pross, Christian, & Aly, Götz (Eds.), Der Wert des Menschen: Medizin in Deutschland 1918-1945 (121-142). Berlin: Edition Henrich Berlin.
  • “Jahresbericht, 1927-28”. (1928) Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Abt. I, Rep. 3, Nr. 3.
  • “Personalakte Hans Weinert”. (1928) Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Abt. I, Rep. 3, Nr. 31.
  • Stoecker, H. (2012). Post vom Feldlazarett: Namibische Schädel in Berliner anthropologischen Sammlungen. iz3w, (331), 32-33.
  • Stoecker, H. (2013). “Knochen im Depot: Namibische Schädel in anthropologischen Sammlungen aus der Kolonialzeit,” in J. Zimmerer (Ed). Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte. Frankfurt am Main: Campus.