Diese Webseite ist eine Ausstellung über die Geschichte und Erinnerungen an die koloniale Vergangenheit eines Gebäudes. Diese Ausstellung ist aus dem Bewusstsein heraus entstanden, dass nicht nur jeder Ort in Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat, sondern dass das Wissen darüber auch veröffentlicht werden muss. Nicht nur unsere Gruppe von Studierenden, sondern alle Menschen sollten die Chance haben, von der koloniale Vergangenheit der Ihnestraße 22, heute ein Gebäude des Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, zu erfahren. Wir hoffen, damit auch Andere an der Freien Universität Berlin und auch darüber hinaus zu motivieren, sich mit den kolonialen Realitäten, die es in allen Räumen gibt, zu beschäftigen. Die Ausstellung umfasst zwei Teile: Manufacturing Race über die koloniale Geschichte des Gebäudes und die dortige Forschung, und Contemporary Memories über die heutige Erinnerung dieser Geschichte.
Es ist unser Anliegen, das Wissen der Ausstellung innerhalb der Universität und über deren Grenzen hinaus zu verbreiten. Aus diesem Grund wurde die Ausstellung das erste mal im Oktober 2013 in der Ihnestraße selbst gezeigt--der Ort an dem jenes Wissen produziert wurde. Darauf folgten weitere Ausstellungen in der Werkstatt der Kulturen und während der Langen Nacht der Wissenschaften in Berlin. Dazu kommt nun auch diese virtuelle Ausstellung. Damit wollen wir hervorheben, dass das Internationale, Koloniale und Lokale verwoben sind. Wir wollen daran erinnern, dass dies für uns alle hier und heute relevant ist, und damit die Fragen um Ethik und Forschung in den Vordergrund rücken.
Das Wort „wir“ erscheint hier in nahezu jedem Satz. Dies ist kein Zufall. An dieser Stelle möchten wir uns vorstellen – zeigen, wie wir uns selbst positionieren. Wir sind fünf Studierende der Internationalen Beziehungen und Politikwissenschaft. Wir sind weiß, wie die Mehrheit der Menschen an der Freien Universität Berlin. Wir kommen aus Kanada, Brasilien, den USA und aus Deutschland. Diese Aspekte bringen alle einige Herausforderung mit sich, allen voran das Problem der Repräsentation. Im Rahmen unserer Ausstellung wird oft den Forscher_innen das Wort erteilt, und weniger oft den Betroffenen dieser Forschung. Wir wollen diese Entscheidung begründen.
Durch den Fokus auf die Forscher_innen möchten wir die damalige wie auch heutige Verantwortung von Wissenschaftler_innen im Hinblick auf die Wissensproduktion hervorheben. Wissenschaftlich erzeugtes Wissen kann dazu benutzt werden, Strukturen der Unterdrückung wie Kolonialismus oder Rassismus aufrechtzuerhalten. Als weiße Studierende in einem westlichen Forschungsinstitut denken wir, dass es von besonderer Bedeutung ist, diese Prozesse durch einen historischen Rückblick auf jene Forschung, die in dem heutigen Gebäude des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft durchgeführt wurde, zu reflektieren. Wir erkennen jedoch an, dass wir durch diesen Fokus den Stimmen der Betroffenen, wie beispielsweise den vertriebenen und getöteten Menschen der deutschen Kolonialpolitik oder auch des nationalsozialistischen Regimes und vielen Anderen nicht den Raum geben können, der ihnen eigentlich gebührt. Weiterhin möchten wir die rassistische Sprache der Forscher_innen nicht weiter reproduzieren. Daher werden zahlreiche Wörter ausgeblendet und mit zeitgemäßen Definitionen ersetzt.
Diese Ausstellung wäre nicht ohne die Unterstützung vieler Menschen möglich gewesen. Allen voran möchten wir unserer Betreuerin, Prof. Bilgin Ayata, danken - der Person, die uns dazu ermutigt hat, sich diesem Thema anzunehmen. Die Idee dieses Projekts ist aus ihrem Seminar „Postkoloniale Theorien in den Internationalen Beziehungen“ am Otto-Suhr-Institut 2013 heraus entstanden, welches uns dazu angeregt hat, über traditionelle Konzepte der Internationalen Beziehungen hinaus zu denken. Ihre Unterstützung und Anleitung im gesamten Prozess hat das Projekt zu dem gemacht was es heute ist.
Wir möchten ebenfalls ganz herzlich der Max-Planck-Gesellschaft für den Zugang zu ihrem Archiv und für ihre weitere Unterstützung danken, ebenso Dr. Christl Wickert, Prof. Hans-Walter Schmuhl, Prof. Carola Sachse, Ida Hoffman, Israel Kaunatjike und all den Forscher_innen, Student_innen am Otto-Suhr-Institut für die Interviews. Für die Hilfe bei der Übersetzung möchten wir uns herzlich bei Stefan Wiechmann und Susan Bergner bedanken. Nicht zuletzt hat die finanzielle Unterstützung von IB an der Spree, des Instituts- und Fachbereichsrates des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft die Ausstellung in ihren verschieden Formen möglich gemacht.
Julia Kirchner, Julia Scheurer, Lili Mundle, Owen Brown & Thiago Pinto Barbosa
⊗ Die Bezeichnung „weiß“ werden wir im Folgenden klein und kursiv schreiben, um sichtbar zu machen, dass es sich nicht um die Beschreibung der Hautfarbe handelt, sondern um eine konstruierte Zuschreibung und damit einhergehende Macht- und Herrschaftsprozesse. Die Bezeichnungen „Schwarz“oder “Schwarze Menschen” werden wir großschreiben, da es als ermächtigende Selbstbezeichnung von den Menschen selber gewählt wird und sich damit auch in unseren Texten von der vorherigen Konstruktion unterscheidet.